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Der Monteur

von Max Eyth (1836 - 1906)

Das alte Lied von der Lore - kaum täuscht mich das Gehör,
Trotz allem Klingen und Klirren-pfeift Hans, der muntre Monteur. sich, dreht sich, wie ihm ein Junge ruft.
Jetzt liegt er auf vier Böcken, unförmlich, ungeschlacht:
Das ist der Bauch des Untiers, das sie hereingebracht.

Sie senken und messen am zweiten, als bauten sie ein Haus.
Wie Gnomen in emsiger Arbeit kriecht es hinein und heraus;
Sie hämmern und meißeln, es dröhnen die zitternden Platten laut,
Sie bohren ihm hundert Löcher in seine eiserne Haut.

Das dritte steht auf Achsen, auf mächtigen Rädern schon;
Schwerfällige Riesenglieder! Noch läuft es nicht davon,
Doch bolzen sie die Zylinder schon an, mit ems'gem Bedacht;
Drin haust des Tieres Seele, wenn es zum Leben erwacht.

Es häuft sich um das vierte verwirrtes Stahlgemeng;
Es kommt von allen Seiten das funkelnde Gestäng.
Die Kolben, die Zapfen und Gabeln, wer kennt, wer zählt sie nur!
Die blanken Exzenterringe, die schmucke Armatur.

Und Schieber und Kulissen setzt man dem fünften ein;
Das ist ein Schrauben und Drehen, ein Messen, scharf und fein.
Es kreuzen sich Hebel und Stangen, es windet sich Rohr um Rohr,
Und endlich hebt auch der Schornstein den trotzigen Kopf empor.

Das sechste dort ist fertig, es blitzt in stolzer Pracht,
Als ahnt' es seine Stärke, als fühlt' es seine Macht;
Als sei's bereit zu fliegen hinaus in die weite Welt.
Das ist die erste Maschine, die Hans zusammengestellt.

Wie alles glänzt und glitzert, wie alles klappt und paßt!
Ein schönes Werk ist fertig, und feierlich wird fast
Dem Hans und der Maschine. Man sieht es beiden an,
Der Jugend Mut und Freude, die Liebe half daran.

Auch siedet's schon im Kessel in heißem Ungestüm.
Es regt sich schon wie Leben im mächt'gen Ungetüm.
Es summt und saust im Innern das Feuer und der Dampf;
Ein halb bewußtlos Regen, der erste Lebenskampf.

Jetzt schnaubt es schwarze Wolken durchs zitternde Kamin,
Halb zornig und halb freudig: "Nun weiß ich, daß ich bin!"
"Nur zu! In zehn Minuten beginnst du mir den Tanz! "
Das Lied von seiner Lore singt laut der lust'ge Hans.

Singt laut und ölt und schraubt noch an seinem Meisterstück.
"Du warst mir meine Freude, nun bring mir auch mein Glück,
Und geh auf deine Reise geschmirgelt und geschmiert,
Das erste schmucke Dampfroß, das ich für sie montiert.

Für meinen Schatz, die Lore, für meine herzige Braut,
Galt jeder Schlag des Hammers, seit ich daran gebaut.
Gebt Dampf! gebt Dampf, da droben!" - Wie's ihm das Herz bewegt!-
"Den Schieber auf, Gesellen! Versucht, ob es sich regt."


Es stand vor dem Eichentore, das halb geschlossen war.
Hab acht! es regt, es dreht sich das Riesenräderpaar.
Die Kolben, die Kurbelstangen erwachen aus ihrer Ruh.
Vom Trittbrett springt er herunter, dem wuchtigen Tore zu.

"Auf, auf!" Er reißt am Flügel der langsam, schwer sich dreht,
"Bahn frei! - Faßt an, Gesellen! - Bahn frei!" - Es ist zu spät.
"Rückdampf! Um Gottes willen!" - Es schreien's zehn in Hast;
"Rückdampf! Könnt ihr nicht sehen, wie es den Hans erfaßt?"

Wie das Entsetzen betet! Horch, wie der Schrecken flucht!
Leis - leis schließt die Maschine das Tor mit ihrer Wucht.
Ein Knacken und ein Knarren, ein kurzer, dumpfer Schrei,
Ein banges Todesröcheln, und alles ist vorbei. --

Sie klauben ihn zusammen, sie tragen ihn nach Haus.
Einförmig tobt es weiter, der Werkstatt Sturmgebraus.
Das war der Tod im Dienste. Das Leben ist's, wenn's glückt.
Den Hans hat seine erste Maschine zu Tod gedrückt.

Nun liegt er still begraben im Friedhof vor der Stadt.
Dort weint die kleine Lore. Sie weinte bald sich satt.
Und stampfend stürmt der Nachtzug der Friedhofsmauer entlang:
Das war seine erste Maschine auf ihrem ersten Gang.

Es ist, als ob sie ahnte, weshalb sie keucht und qualmt,
Es ist, als ob sie wüßte, daß sie den Hans zermalmt;
Denn leise klingt durchs Brausen, zum Gruß des toten Manns,
Das alte Lied von der Lore, das Lied vom lustigen Hans.